Die schwule Kneipe: Eldorado (Quelle: Bundesarchiv)
Es ist absurd, das Menschen zugefügte Leid in Zahlen messen zu wollen. Die Verbrechen werden nicht größer oder kleiner mit einer Null mehr oder weniger vor dem Komma.
- Günter Grau
Berlin war bis in die dreissiger Jahre des 20. Jahrhunderts eine weltoffene und vielfältige Stadt, in der sich viele schwule und lesbische Kneipen, Nachtklubs und Cabarets befanden. Es gab auch eine Reihe von Travestie-Bars, in denen sich heterosexuelle wie schwule Touristen durch Darbietungen von Frauendarstellern unterhalten ließen. Auch in den anderen großen deutschen Städten wie z. B. Köln und Hamburg gab es eine lebhafte Homosexuellenszene.
Diese Vielfalt fand ein Ende als es am 30. Januar 1933 zur Machtübertragung ("Machtergreifung") an die NSDAP kam, der sich nicht zuletzt die SPD vehement entgegen zu stellen versuchte.
Der nationalsozialistische Staat lehnte Homosexualität aus Prinzip ab, da sie der geforderten Produktion „erbgesunder Arier“ zu wider lief. Die Steigerung der Geburtenrate als erklärtes Ziel einer rigiden Sexualmoral und Gesellschaftspolitik ließ keine selbstbestimmte Sexualität und Homosexualität erst recht nicht zu. So gehörte die Zerstörung der lesbischen-schwulen Infrastruktur nach 1933 zu den wichtigsten Maßnahmen der Nationalsozialisten. Das von Magnus Hirschfeld 1919 gegründete Institut für Sexualwissenschaft und andere Organisationen wurden aufgelöst, Bücher verboten und verbrannt, Razzien veranstaltet, Lokale geschlossen – ein Klima der Angst führte verstärkt zum Rückzug ins Private oder in Scheinehen.
Allerdings ging der NS-Staat gegen Lesben und Schwule in unterschiedlicher Weise vor: Während es im geschlechterhierarchischen NS-Staat keine systematische Verfolgung lesbischer Frauen gegeben hat, waren schwule Männer durch den im Juni 1935 verschärften § 175 (und später durch die weitere Verschäfung im § 175 a StGB: besondere Schwere) der Strafverfolgung ausgesetzt, gerieten deshalb in das zuchthaus und/oder KZ-Haft und wurden mit dem "Rosa Winkel" stigmatisiert.
Einer der Hauptgründe der unterschiedlichen Behandlung von männlicher und weiblicher Homosexualität war, dass Frauen sich in nationalsozialischer Lesart generell unterordneten, weibliche Sexualität in Bezug auf den Mann und Mutterschaft definiert war, und Lesbischsein so zu jeder Zeit als „kurierbar“ galt. (Dies bezog offenbar auch Vergewaltigung mit ein.)
Schwule Männer vergeudeten hingegen ihre Zeugungskraft und stellten sich damit aktiv gegen die gewünschte Steigerung der Geburtenrate. Der Zweck des § 175 StGB sei „der Schutz der Zeugungsfähigkeit“, erklärte der spätere Justizminister Otto Thierack 1934. Ein weiteres kam hinzu: Männer bestimmten die Öffentlichkeit im NS-Männerstaat. Beispielgebende „verführende“ öffentlich gelebte männliche Homosexualtät würde in der NS-Lesart den Staat zersetzen, so dass Schwule zu Staatsfeinden wurden. Insgesamt 130.000 Schwule standen auf den „Rosa Listen“ der Nationalsozialisten und wurden von der „Reichszentrale zur Bekämpfung der Homosexualität und Abtreibung“, der GeStaPo, der Polizei und anderen Behörden verfolgt.
Seit 1935 wurden außer politischen Gegnern auch Personengruppen in KZs inhaftiert, die aus rassistischen, religiösen oder sozialen Gründen zu „Volksschädlingen“ erklärt worden waren. Dazu gehörten Juden, Sinti und Roma, Geistliche und so genannte Bibelforscher, aber auch Kriminelle, so genannte Asoziale und Homosexuelle. Insgesamt befanden sich während der NS-Zeit 7,2 Millionen Häftlinge in den KZs überall in Europa, im März 1944 gab es 22 KZs und 165 Außenlager. Heute weiß man, dass bis zu etwa 10.000 schwule Männer dort inhaftiert und durch den Rosa Winkel gekennzeichnet waren. Im KZ Sachsenhausen nördlich von Berlin in Oranienburg waren es 1.000. Die Häftlingsgruppe hatte nicht nur die höchste Todesrate, sondern stand auch am Ende der Lagerhierarchie.
Gedenkstätte Sachsenhausen
Im Sommer 1936 wurde das KZ Sachsenhausen als erste Neugründung eines Konzentrationslagers nach der Ernennung des Reichsführers SS Heinrich Himmler zum Chef der Deutschen Polizei im Juli 1936 errichtet. Die am Reißbrett als idealtypisches KZ konzipierte Anlage nahm als Modell- und Schulungslager in unmittelbarer Nähe der Reichshauptstadt eine Sonderstellung ein. Diese wurde unterstrichen, als 1938 die Inspektion der Konzentrationslager (Verwaltungszentrale für alle KZ im deutschen Machtbereich) von Berlin nach Oranienburg verlegt wurde. Bis 1945 waren im KZ Sachsenhausen mehr als 200.000 Menschen inhaftiert. Während in der Gründungsphase politische Gegner des NS-Regimes die Mehrheit der Häftlinge stellten, wurde das KZ ab 1938 immer mehr zum Instrument der rassistischen Gesellschafts- und Bevölkerungspolitik. Zehntausende kamen durch Hunger, Krankheiten, Zwangsarbeit und Misshandlungen um oder wurden Opfer von systematischen Vernichtungsaktionen der SS. Solch einer planmäßigen Aktion fielen von Juli bis September 1942 im nahen Außenlager Klinkerwerk rund 200 schwule Häftlinge zum Opfer. Das Arbeitskommando „Klinkerwerk“ war in der ersten Zeit ein Strafkommando. An diesem von allen gefürchteten Ort am Hohenzollernkanal setzte die SS vor allem solche Häftlinge ein, die sie besonders schwer misshandeln wollte – auch schwule Männer, für die das Klinkerwerk ein „Todeslager“ war. Beim Bau des Hafens im Herbst 1940 kamen zahlreiche Häftlinge ums Leben, darunter vor allem Sinti und Roma, Zeugen Jehovas, Schwule sowie jüdische und polnische Häftlinge. Um die Spuren der Verbrechen zu verwischen, ließ der letzte Leiter des Außenlagers, Heinrich Fresemann, im Januar 1945 acht bis neun Tonnen Menschenasche aus dem Krematorium des Stammlagers in den Hohenzollernkanal schütten. Klinkerwerk und Steinbearbeitungswerke wurden bei einem Bombenangriff am 10. April 1945 fast vollständig zerstört. Dabei kamen mindestens 200 Häftlinge ums Leben, ihre Leichen und Leichenteile wurden in den Bombentrichtern verscharrt. So befindet sich heute an dem einst auch von schwulen Häftlingen errichteten Hafenbecken nahe der Lehnitzschleuse ein Gedenkort, den Oranienburger Schülerinnen und Schüler mit einem fragmentierten (zerstörten) Rosa Winkel gestaltet haben. Zu den maßgeblichen Forschern, die sich mit der Situation schwuler Männer in der NS-Zeit beschäftigt haben, gehört neben Günter Grau der Berliner Joachim Müller. Für das Schwule Museum und im Beirat der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten tätig, ist für sein Wirken beispielhaft der Band „Homosexuelle Männer im KZ Sachsenhausen“ zu nennen, der zur gleichnamigen Gemeinschaftsausstellung der Gedenkstätte mit dem Schwulen Museum im Jahr 2000 erschienen ist.
Die AG der Lesben und Schwulen in der SPD Berlin hat Joachim Müllers Verdienste mit der Verleihung des Magnus-Hirschfeld-Preises gewürdigt.
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